Technologien der Apple-Plattform, die 2005 das Licht der Welt erblickten
Weiter geht’s mit der kompakten Rückschau auf 17 Jahre Mac OS X bzw. macOS und welche Innovationen Apple im Laufe der Zeit in sein Betriebssystem gebracht hat. In diesem Artikel geht es um Mac OS X 10.4 Tiger.
Auf der WWDC 2004, Apples jährlicher weltweiter Entwicklerkonferenz betrachtete Apple den Übergang vom klassischen Mac OS zu Mac OS X (den Jobs auch mal als „Gehirntransplantation“ bezeichnet hat) mit Panther im Jahre 2003 als abgeschlossen. Der Nachfolger von 10.3 Panther, 10.4 Tiger war das erste große Update von Mac OS X, das Apple nicht ein Jahr später, sondern erst im April 2005 ausliefern würden. Das hatte wohl mit einer weiteren großen Umstellung zu tun, die unmittelbar bevorstand: Apple war in Begriff, nicht nur den Prozessor-Lieferanten, sondern sogar die gesamte Prozessorarchitektur von PowerPC (Motorola und IBM) zu Intel zu wechseln.
Der Intel-Switch
Was normalerweise einen gewaltigen Kraftakt, eine weitere „Gehirntransplantation“, bedeuten würde, ging tatsächlich fast binnen Jahresfrist über die Bühne und selbst Apple dürfte im Nachhinein gesehen überrascht gewesen sein, wie schnell der Intel-Switch am Ende abgeschlossen war – weit früher als geplant. Der schnelle und reibungslose Übergang zu Intel war möglich, da Apple offenbar im Geheimen von Anfang an, also seit Mac OS X 10.0, parallel zur PowerPC-Version immer auch eine Intel-Variante von Mac OS X mit entwickelte, „nur für den Fall“, wie Steve Jobs es ausdrückte.
Dieser „Fall“ war 2005 eingetreten. Die Entwicklung der G4-Prozessoren von Motorola ging schon seit längerem nur noch in kleinen Schritten voran. Der Hoffnungsträger G5 von IBM, der in den Desktop-Macs zum Einsatz kam, hatte im Vergleich beeindruckende Leistungswerte, war aber für den Einsatz in Mobilgeräten bei weitem nicht sparsam genug. Und die zukünftigen Entwicklungspläne der PowerPC-Lieferanten ließen keine Hoffnungsschimmer aufkeimen. Gleichzeitig steckte Intel mit seinen Pentium IV-CPUs in einer ähnlichen Klemme, hatte aber im Gegensatz zu IBM & Co. einen Ausweg: Die Core-Architektur stand in den Startlöchern und versprach in Zukunft, das Verhältnis von Leistung zu Stromverbrauch zu liefern, das Apple sich wünschte. So kam es dann ab 2006, als die ersten Intel-Macs ausgeliefert wurden und Mac OS X 10.4 das erste Mac-Betriebssstem wurde, das sowohl in einer PowerPC-, als auch einer Intel-Version ausgeliefert wurde. Der Nachfolger, Mac OS X 10.5 Leopard, würde 2007 sogar als Universal Binary ausgeliefert werden, also sich mit ein und derselben Installations-DVD sowohl auf Intel-, als auch auf PowerPC installierten lassen. 2009, mit der Veröffentlichung von Mac OS X 10.6 Snow Leopard, war dann Schluss mit der Unterstützung von PowerPC-Prozessoren.
Innovationen abseits von Mac OS X
Auf der WWDC 2004 präsentierte Apple seine erste Airport Express-Basisstation. Dieser WLAN Accesspoint eignete sich zur Erweiterung der Reichweite des heimischen WLANs, brachte aber außerdem einen USB-Port zum Anschluss eines Druckers, sowie einen kombinierten analogen und optischen Audio-Ausgang im 3.5 mm-Format. Schloss man die Airport Express im Wohnzimmer an der Stereoanlage an, konnte man von einem beliebigen Mac oder PC mit iTunes im Netzwerk die Musik-Ausgabe steuern. Damit war der Vorläufer der Airplay-Technologie geboren, das Vorbild für vernetztes Home-Audio, wie wir es heute beispielsweise von Firmen wie Sonos kennen.
2004 trat Apple erstmals als Technologiepartner der Autoindustrie auf. BMW wurde als erster Hersteller mit iPod-Integration vorgestellt. Die wichtige Erkenntnis: Kunden wollen auch im Auto nicht auf ihren iPod und dessen Bedienkomfort im Umgang mit riesigen Musikbibliotheken verzichten. Da war Apple nicht nur als Lieferant für passende Anschlusskabel gefragt.
Weiteres Highlight außerhalb von Mac OS X war die Vorstellung von Apples 30″ Cinema Display mit WQXGA-Auflösung (2560 x 1600 Pixel) für über 3.000 €. Gleichzeitig verabschiedete man sich von einem der letzten proprietären Anschlüsse, dem digitalen Apple Display Connector (ADC) und setzte fortan auf DVI (wenn auch meistens mit eigens entwickelten Steckerformen wie Mini VGA, Mini DVI oder später Mini Display-Port – auch damals schon musste ein Mac-User den ein oder anderen Adapter mit sich führen, um vollständig „kompatibel“ zu sein).
Innovationen in Mac OS X 10.4 Tiger
Nun aber zum Betriebssystem selbst. Im Vergleich zu Panther mit seinen über 100 neuen Features wurde Tiger sogar mit über 150 neuen Features angepriesen. Die Liste der Features, die dann auf der Bühne vorgestellt wurden, war dann aber doch kürzer als beim Vorgänger, was wohl auch daran liegt, dass die Software-Ausstattung von Mac OS X so langsam komplett war. Fortan gingen die Optimierungen mehr und mehr in den weniger sichtbaren Bereich des Betriebssystems.
Mit Tiger ging der Ausbau zum 64 Bit-Betriebssystem weiter, erstmals wurde neben dem klassischen POSIX auch das ACL-Rechtesystem unterstützt. Apple brachte die Windows-Kompatibilität weiter voran, indem die SMB-Performance verbessert wurde und Technologien wie Kerberos oder NTLMv2 unterstützt wurden.
Safari erlernte den Umgang mit RSS-Feeds (eine Technologie, die mittlerweile wieder aus dem Browser entfernt wurde) und iTunes nahm mit Podcast einen aufstrebenden Trend auf (das technisch übrigens ebenfalls die RSS-Technologie nutzt). Der iTunes Store erhielt eine eigene Podcast-Rubrik. In das Verzeichnis kann man sich übrigens auch heute noch eintragen und so selbst als Podcaster kostenlos Eingang in den iTunes Store finden – unter http://www.apple.com/de/itunes/podcasts/ gibt’s weitere Informationen dazu!
QuickTime wurde in Version 7 vorgestellt und brachte Unterstützung für den H.264-Videocodec. H.264 war ein Meilenstein und ist auch heute noch gebräuchlicher Videostandard im Internet und auf BluRay-Discs.
Neben einem leistungsfähigen neuen Video-Codec integrierte Apple mit Core Image und Core Video zwei grundlegende Funktionen ins System, die den Prozessor entlasteten, indem Bild- und Videoverarbeitung auf die immer leistungsfähiger werdende Grafikkarte ausgelagert wurden. Damit einhergend wurden schön anzusehende Echtzeit 3D-Effekte möglich, die Apple in einigen seiner Systemprogramme zur Schau stellte.
Auch iChat übernahm H.264 und das neue Core Image/Core Video für seine Videokonferenz-Funktion, was einen deutlich sichtbaren Qualitätssprung bedeutete und der App coole Animationen bescherte. iChat unterstützte in Tiger Konferenz-Schaltungen mit bis zu zehn Teilnehmern bei Audio-Chats und bis zu vier Teilnehmern bei Video-Konferenzen. iChat, bzw. dessen Nachfolger, die Nachrichten-App, beherrschten dieses Feature bis OS X 10.11 El Capitan. Mit dem Abstieg der klassischen Instant Messenger verblasste auch die Bedeutung von iChat Videokonferenzen im Laufe der Zeit. Die Features sind heute aber nicht verloren, sondern in Facetime gewandert, das auf Apples eigenen iMessage-Dienst aufbaut.
Das Dashboard war ein Vorläufer der Mitteilungszentrale und nahm Mini-Programme wie Uhr, Taschenrechner, Notizzettel, Wetter etc. auf. Diese sogenannten Widgets waren in den Jahren zuvor bereits durch Zusatztools wie Konfabulator populär geworden. Apple sprang auf den Zug auf und machte sich die Funktion in Mac OS X 10.4 zu eigen (zur Freude der Anwender und zum Leidwesen der Konfabulator-Entwickler. Deren Technologie wurde von Yahoo aufgekauft und immerhin noch zwei Jahre lang weiterentwickelt).
Automator hatte auf der WWDC 2004 seine „five minutes of fame“. Die innovative Anwendung ist auch heute noch Bestandteil von macOS und erlaubt „visuelles“ Skripten mit Apple Script, indem man keine Zeile Code mehr schreiben muss, sondern Funktionen wie Lego-Bausteine zusammensetzt. Damit sind beeindruckende selbstgebaute Lösungen möglich, die als richtige Programme gespeichert werden oder auch an Kalender, Druckfunktionen und andere Systemdienste angehängt werden können.
Spotlight
Die wichtigste und revolutionärste Funktion von Mac OS X 10.4 Tiger dürfte allerdings Spotlight sein. Sie wird als kleine Lupe in der oberen rechten Bildschirmecke aufgerufen. Spotlight legt einen kompletten Suchindex der Festplatte an und findet nicht nur Dateinamen, sondern durchsucht auch den Inhalt sowie die Metadaten von Dokumenten. Von Anfang an wurden die wichtigsten Formate wie PDF, Word und Excel unterstützt. Durch Erweiterungen konnten Entwickler ihre eigenen Dokumenten-Formate ebenfalls fit für Spotlight machen.
Das Besondere in Spotlight besteht darin, dass es dokumenten- und programmübergreifend durchsucht. Die Funktion war von Anfang an sehr schnell und lieferte schon Ergebnisse, während man noch tippte. Und Spotlight beherrschte von Beginn an semantische Suchanfragen, zumindest in einem begrenzten Rahmen. Eine Suche musste sich damit also nicht auf einen einzelnen Begriff beschränken, sondern konnte auch lauten: „E-Mails von Lieschen Müller im April“. Spotlight ist eine Voraussetzung für Siri, besonders auf dem Mac. Allerdings ist es keine künstliche Intelligenz und versteht nicht automatisch, was der Anwender finden will. Man muss ein paar Regeln lernen, wenn man die volle Leistungsfähigkeit von Spotlight ausschöpfen will. Als Hilfe gibt es Artikel wie diesen hier oder auch Apples Referenz.
Die anfängliche Einschätzung, dass mit Spotlight die Tage von Ordnern und Struktur im Finder gezählt seien, dürfte sich indes nicht bewahrheitet haben. Spotlight ist dennoch eine etablierte Größe unter den Mac OS X-Innovationen und bewährt sich alltäglich bei der schnellen Suche zwischendurch, als Anwendungs-Starter oder Taschenrechner.
Ein mächtiges Feature, das durch Spotlight die Fähigkeiten des Finders erweitert hat, ist die Möglichkeit, Suchanfragen nach demselben Schema wie intelligente Playlists in iTunes zu bauen und als intelligente Suchordner dauerhaft zu speichern.
Das waren sie, die Innovationen von Mac OS X 10.4 Tiger. Von April 2005 bis Herbst 2007 war es die aktuelle Version von Apples Betriebssystems. Und es gab one more thing: Die Intel-Version von Tiger brachte ein Feature namens Rosetta mit. Damit konnten PowerPC-Anwendungen, die noch nicht auf die Intel-Prozessorplattform portiert worden waren, nativ ausgeführt werden. Im Gegensatz zur Unterstützung von klassischen Mac OS-Apps musste dafür nicht extra ein ganzes Betriebssystem geladen werden, sondern die Ausführung von Rosetta war ressourcenschonend und transparent. Ein weiterer Grund, warum der Switch zur Intel-Plattform so zügig und reibungslos ablief.